Wolfenbüttel. Es sind Schätze in Handschrift und Druck, Gemälden, Karten und Lithographien unserer Vergangenheit. Zum Reichtum werden mehr als eine Million Werke gezählt. Zahlreiche Sammlungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit vereint die Forschungsstätte der ehrwürdigen Herzog August Bibliothek (HAB). Moderne und zeitgenössische Kunst findet man zuhauf. In der Augusteerhalle fand am Donnerstag mit 160 Gästen die Verleihung des Künstlerbuchpreises statt. Hyewon Jang heißt die junge koreanische Künstlerin.
„Sie ist die erste Preisträgerin des 2018 erstmals von der Bibliothek und der Curt Mast Jägermeister Stiftung ausgelobten Preises“, sagte Professor Dr. Peter Burschel, Direktor der HAB. Ihrer Arbeit gab sie den Titel „Ordnung im Wissen – Zusammenfluss der Bestände“. Herausgekommen sind indes gleich vier Bücher im Taschenformat. Ein herausragendes Einzelwerk, das in dem Büchersaal aufbewahrt wird, ist das Evangeliar „Heinrichs des Löwen“ aus dem zwölften Jahrhundert. „Davon hat sich Jang im vorigen Jahr inspirieren lassen“, erklärte Burschel. Bibliotheken seien dynamische Orte. „Zwischen Büchern und Menschen entstehen Beziehungen. Es sind magische Räume, die Geschichten erzählen. Das Evangeliar gehört mit zu den prachtvollsten Handschriften des europäischen Mittelalters“, hob er hervor. Für Burschel war die Preisverleihung eine große Ehre.
Laudatorin war So Yeon Schröder-Kim. Sie ist Repräsentantin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST und die Ehefrau von Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der neben Florian Rehm, Unternehmerfamilie Mast, Platz nahm. Sie gab Einblicke in den Lebenslauf: „Hyewon Jang war Meisterschülerin der Buchkunst an der Burg Giebichenstein-Kunsthochschule Halle. Ihre Leistungen wurden mit Stipendien belohnt“, sagte sie. Ausstellungen würden weltweit sichtbar, auch zu der Künstlerbuchsammlung der HAB gehörten mehrere Werke. Schröder-Kim unterstrich: „Hyewon Jang verbindet Altes und Neues. Wir haben ganz neue Erfahrungen gemacht, die uns sehr zum Staunen brachten.“ Bibliotheken seien Begegnungsorte, Erfahrungsräume und Denksysteme. In jedem Land würden die Unterschiede sichtbar, in ihrem Heimatland Korea sogar sehr, sagte sie. Die Künstlerin habe ein Jahr genau Buch geführt, wen sie in der Bibliothek traf und wie oft. Aufgelistet in einer Tabelle dokumentierte sie es. Es waren 396 Menschen. Allerdings: „Nicht jede Begegnung ist wertvoll. Qualität ist entscheidend, nicht die Quantität.“ Manchmal treffe man Menschen, die das Leben komplett verändern. Das sei hier passiert. Schröder-Kim gratulierte mit einer Urkunde. Der Preis ist mit 6.000 Euro sowie einem begleitenden Studienaufenthalt in der Bibliothek dotiert.
Die Preisträgerin und Dr. Stefan Soltek, Leiter des Klingspor Museums Offenbach, präsentierten dann die Arbeit. „Der Kernschatz dieses Hauses wurde in den Mittelpunkt gestellt“, sagte Soltek. Das erste der vier Taschenbücher kann man zu einem Kreuz entfalten. Mehrere QR-Codes sind dargestellt, die mit Smartphones entschlüsselt werden können. Vier Evangelisten und Schöpfungspaare würden so erklärt. Auch das zweite Werk ist originell. „Komplexe Inhalte werden zusammengefasst.“ Mit der Ascii-Code-Tabelle und Hexadezimalzahlen wird das Leben zwischen Himmel und Erde erläutert. „Es ist eine komprimierte Art und überall auf der ganzen Welt lesbar“, so Jang. Man erfahre mehr über das Leben des Herrschers Heinrich der Löwe. Beim dritten geht es um die Auferstehung Christi. Eine dramatische Darstellung von Leben und Tod. „Eine Art Engelsleiter, die interessant wirkt“, so Soltek.
Das vierte Buch ist eine Dokumentation zum Evangeliar. Es ist eine Art Befragung der Mitarbeiter der Bibliothek und liefert Zahlen und Erfahrungen. „Hier wurde Ordnung geschaffen. Das innerste nach außen geholt“, sagte Soltek. Die Künstlerin habe sich die Struktur der Herzog August Bibliothek zu eigen gemacht. „Material, Buchstaben und Typographie.“ Allerdings: „Ist das Spielerei? Ist das eine unnötige Darstellung?“, fragte er und lieferte selbst das „Nein“. Filtern von Infos, Gegenordnung und Ordnung, eine Fülle von Denkanstößen. Soltek: „Das ist etwas, was uns berührt. Hier wurde das Mysterium einer Bibliothek durchleuchtet. Ein großartiges Werk“, schloss er.
Für Florian Rehm blieb nach dieser ausführlichen Darstellung nur eines übrig: „Gratulation.“ Er zeigte sich sehr gerührt von den vielen Facetten des Lebens. Zudem habe sich für ihn ein Kreis geschlossen. Er habe in Korea einige Begegnungen erlebt, geschäftlich wie auch privat, die ihn inspiriert hätten. Dadurch, dass nun eine Koreanerin gewonnen hat und obendrein noch eine Koreanerin die Laudatio hielt, sei bei ihm eine Faszination zu diesem Land ausgelöst worden. „Ich bin tief beeindruckt und wünsche Ihnen alles Gute“, betonte der Jägermeister-Chef und lud zu Imbiss und Haustrunk im Lessinghaus ein.
Quelle: Wolfenbütteler Schaufenster / Marcus Kordilla