Der Klimawandel soll abgemildert und die Biodiversität gefördert werden – viel Futter für Insekten
Stephanie Memmert
Wolfenbüttel/Hornburg. Tief rot leuchtender Klatschmohn wiegt sacht im Sommerwind. Margeriten strecken wohl tausendfach ihre um gelbe Stempel weiß gezackten Blütenblätter der Sonne entgegen. Lilafarbene Malven stehen am Wegesrand. So sieht es in der Landschaftskathedrale am Friedrich-Ebert-Platz in Hornburg aus. Die Landschaftskathedrale ahmt in ihrem Grundriss die benachbarte Hornburger Marienkirche von 1616 nach. Gefüllt ist die Kathedrale mit Wildblumen. Und genau so oder so ähnlich werden viele Grünflächen in Wolfenbüttel aufblühen.
Während die Blühflächen am Friedrich-Ebert-Platz in Hornburg bereits vor zwei Jahren angelegt worden sind und im ersten Jahr längst nicht so opulent zur Geltung kamen wie jetzt, sind viele Flächen in der Kreisstadt erst im April dieses Jahres ausgesät worden. „Die Trockenheit macht den Blumen in diesem Jahr sehr zu schaffen“, sagt Thorsten Raedlein, Pressesprecher der Stadt Wolfenbüttel. Und er ergänzt: „Wasser ist ein zu kostbares Gut, als dass wir damit verschwenderisch umgehen sollten.“
Anja Hartlich, Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic und Martina Münstermann-Kreifels freuen sich über eine bunte Blühwiese in Wolfenbüttel.
STADT WOLFENBÜTTEL
Die Grundidee ist, Rasenflächen in Blühwiesen umzuwandeln.
Florian Rehm, Vorstand der Curt Mast Jägermeister Stiftung, über das Vorhaben in Wolfenbüttel
„Wasser ist ein zu kostbares Gut, als dass wir damit verschwenderisch umgehen sollten.“
Es sei 2018 gewesen, als sich Mitglieder der Wolfenbütteler Stadtverwaltung über mögliche Blühwiesen im Stadtgebiet Gedanken gemacht hätten. Die ersten Blühflächen wurden angelegt. Stiller Beobachter war die Curt Mast Jägermeister Stiftung. Im Sommer vergangenen Jahres kamen die Macher der Stiftung auf die Idee, die Stadt Wolfenbüttel bei der Anlage neuer Blühwiesen zu unterstützen: Mit ihrer finanziellen Unterstützung sollen bis zu 13.000 Quadratmeter Gebrauchsrasen- und Wiesenflächen umgewandelt werden.
Seit Januar 2022 ist die Stadt Mitglied bei den „Kommunen für biologische Vielfalt“. Im Herbst 2021 hatte der Rat der Stadt auf Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen die Einführung eines naturnahen Grünflächenmanagements – auch als Biodiversitätsstrategie bezeichnet – und die Mitgliedschaft in dem Verein beschlossen.
Die „Kommunen für biologische Vielfalt“ engagieren sich für Biodiversität in den Gemeinden. Wolfenbüttel unterstützt somit die politische Gewichtung des Themas und hat Zugriff auf Erfolgsmodelle in anderen Kommunen, auf Förderprogramme, Infomaterial und Beratung. „Das Bündnis stärkt die Bedeutung von Natur im unmittelbaren Lebensumfeld der Bürgerinnen und Bürger und rückt den Schutz der biologischen Vielfalt in den Kommunen ins Blickfeld“, bringt es Bürgermeister Ivica Lukanic auf den Punkt.
Im April dieses Jahres war in Wolfenbüttel nun der große Moment gekommen: Der erste symbolische Spatenstich für ein künftiges Meer von bunten Blumen erfolgte am Städtischen Klinikum. Auf dem Außengelände des Klinikums gegenüber von Hangar und der Städtischen Kita Alter Weg frästen Mitarbeiter eines Wolfenbütteler Gartenbaubetriebes einen elegant geschwungenen Blühstreifen in den Rasen. Auf der entstandenen 350 Quadratmeter großen Freifläche wurden Blumen ausgesät.
So sieht das Stadtbild Hornburgs in Verbindung mit einer Blühwiese aus. STEPHANIE MEMMERT
Damit setzte die Curt Mast Jägermeister Stiftung ihre Idee, den Schutz der Natur und den Erhalt der biologischen Vielfalt zu fördern, um. Anfang Februar hatte Florian Rehm, Vorstand der Curt Mast Jägermeister Stiftung, gesagt: „Die Grundidee ist, Rasenflächen in Blühwiesen umzuwandeln.“ Die Blühflächen, die in der Stadt und auch in den Ortsteilen Wolfenbüttels entstehen, bezeichnete Manja Puschnerus, geschäftsführende Vorständin der Stiftung, als „einen Gewinn für uns alle“.
Bereits im Frühjahr hatte die Stadt Wolfenbüttel eine Blühfläche voller Krokusse auf der Wallanlage hinter dem Gefängnis angelegt. Zur Freude vieler Wolfenbütteler Bürgerinnen und Bürger sowie ihrer Gäste blühte sie „ganz prächtig“, wie Anja Hartlich, stellvertretende Leiterin der Abteilung Grünflächen beim Tiefbauamt der Stadt Wolfenbüttel, erläuterte. Im April ist dort auf einer Fläche von 500 Quadratmetern die Mischung „Bee Surprise“ („BienenÜberraschung“) in den Boden gebracht worden.
„Insgesamt waren es 187.000 Zwiebeln“, erzählte Anja Hartlich. In Salzdahlum sei eine 250 Quadratmeter große Fläche am Badeteich angelegt worden. Dort werden lauter blau blühende Blumen erwartet. Alle diese Pflanzen sind zum Verwildern geeignet. Denn: „Die Flächen sollen sich dauerhaft etablieren“, so Anja Hartlich. Angestrebt sei, dass es künftig von Februar bis September blühen soll.
Wie in Hornburg wird auch in Wolfenbüttel das Ziel verfolgt, die Folgen des Klimawandels abzumildern, Nahrungsquellen für Insekten zu schaffen und die Biodiversität zu fördern. Und: Sie sind einfach eine Augenweide – der Klatschmohn, die Margeriten, die Malven und all die anderen Blumen.
Ultramarinblau blüht der Gewöhnliche oder Blaue Natternkopf, den der Volksmund auch Blauer Heinrich nennt.
Bienen und Schmetterlinge lieben sie: die Wiesenflockenblume, die hier in der Landschaftskathedrale steht.
Margeriten und geruchlose Kamille strecken in der bunten Blühwiese ihre Blüten Richtung Sonne.
Die Wilde Möhre blüht weiß. Am Boden umringt wird sie auf diesem Foto von Färber-Hundskamille.
Eine violett blühende Malve steht aufrecht am Wegesrand der Blühwiese am Friedrich-Ebert-Platz in Hornburg.
Dornig ist das Kleid der Kratzdistel, im Hintergrund die Hornburger Marienkirche.
FOTOS (6): STEPHANIE MEMMERT
Quelle: Wolfenbütteler Zeitung, Freitag, 01. Juli 2022