Das einst verletzte Tier hat nun einen Sender und durfte deshalb nicht in Hedeper losfliegen
Katharina Keller. Hedeper. Wo bleibt er denn? Ungeduldig warten Storchenfreunde und Vertreter des NABU am Schiffgraben mit Blick auf die Uhr auf Ralf Isensee – beziehungsweise auf sein Auto. Denn im Kofferraum wird besondere Fracht in einem Umzugskarton transportiert: Anka ist eine Störchin, die sich Anfang April schwer verletzte. Heute wird sie wieder ausgewildert. Ob das klappt?
Bei Kämpfen – vermutlich mit einem männlichen Storchenvertreter – erlitt sie Stichverletzungen, Hämatome an den Flügeln hatte das dreijährige Tier ebenso wie ein mittelschweres Anflugtrauma. Kurzerhand brachte Storchenfreund Ralf Isensee aus Hedeper das Tier zum Storchenhof nach Loburg. Dort nimmt sich der Verein um den Gründer und ehemaligen Populationsgenetiker Dr. Christoph Kaatz unter anderem verletzter oder verwaister Jungvögel an. Darüber hinaus wird in Loburg geforscht – zu Zugwegen und dem Brutverhalten des Weißstorches.
Vier Wochen blieb Anka dort. Ihren Namen verdankt sie übrigens ihrer Patin Anke Streit, die das Tier mit einfing und für ihre Pflege aufkam. In den Wochen der Pflege kam übrigens eine Idee auf: nämlich den Storch mit einem Sender, der über Solar betrieben wird, zu versehen. Dieser zeichnet Daten auf.
Künftig sollen sich auch Interessierte im Internet erkundigen können, wo das Tier morgens um 6 Uhr und abends um 18 Uhr gewesen ist. „Wir bekommen im Hintergrund noch mehr Daten, um Erkenntnisse zu gewinnen“, berichtet Isensee. Die Kosten in Höhe von 3000 Euro übernahm kurzerhand die Curt- Mast-Jägermeister-Stiftung. Besonders wertvoll aus Sicht des Storchenfreundes und des Storchenbeauftragten Georg Fiedler: Anka ist 2020 in Neuwegersleben geboren und hat somit den ersten Zug, den viele Störche nicht überleben, überstanden. „Wir können also verfolgen, wo sie sich befindet“, freut sich Isensee, der das als Jackpot bezeichnet. Hier geht es um die beschriebenen Zugwege und das Brutverhalten mittels der Satellitentelemetrie.
Freigelassen wird die Störchin übrigens in der Nähe des Grünen Bandes, also an dem ehemaligen Grenzstreifen, an dem heute viele Tiere leben und Pflanzen wachsen. Aber auf Gebiet des Nachbarlandes Sachsen-Anhalt.
Das muss so sein, erklärt Isensee. Für das Besendern gibt es nämlich auf niedersächsischer Seite keine Genehmigung, auf der anderen Seite aber schon. „Es hatte schon Gespräche mit der früheren Landwirtschaftsministerin gegeben“, berichtet Isensee, der die Idee auch für Niedersachsen voranbringen möchte.
Über die Landesgrenze soll Anka nach Wunsch der Storchenfreunde auch fliegen. Wenige Meter entfernt steht nämlich der Horst, ist eine Attrappe aufgebaut. Das Gebiet kennt die Storchendame. Doch das Tier bleibt erst einmal liegen, während die Besucher still halten und den Blick Richtung Tier richten. Es scheint, als müsse sich die Störchin erst einmal sammeln, ehe es wieder losgehen kann. Banges Warten. Wird sie fliegen? Und dann flattert Anka schließlich los – dreht eine Runde und landet dann in „ihrem“ Nest. Applaus. Erleichterung. Mit Ferngläsern wird der Storch nun beobachtet.
Quelle: Wolfenbütteler Zeitung, Mittwoch, 3. Mai 2023